Epidemiologie - Pathomechanismus - Diagnostik - Behandlung
Epidemiologie
In Deutschland sind inzwischen durchschnittlich 10 % aller Kinder von Asthma betroffen (s. auch Übersicht aus der ISAAC-Studie).
Pathomechanismus
Bronchiale Überempfindlichkeit auf dem Boden einer Entzündung, die in der Regel auf rezidivierenden exsudativen Prozessen basiert. Folgen sind bronchiale Obstruktionen, verursacht durch Bronchokonstriktion, Schleimhautödem und eine Dyskrinie.
Bei chronischer Entzündung kann sich auf dem Boden proliferativer Vorgänge eine subepitheliale Fibrose entwickeln (Abb. 1).

Abb. 1: Subepitheliale Bindegewebszone mit Kollagenfasern (Pfeile)
Auslöser sind: Atemwegsinfektionen, unspezifische Reize (z.B.Staub, Kälte, Tabakrauch) und Allergene (Abb. 2).
Auch körperliche Belastung (Mundatmung: hyperosmolares Bronchialsekret) und Emotionen (Hyperventilation; Vagus-Reiz) können für Asthma-Beschwerden verantwortlich sein. Meist tragen mehrere Komponenten zum Krankheitsgeschehen bei ("Mischform").

Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Asthma auslösenden Faktoren
Diagnostik
(s. auch Chronischer Husten/bronchiale Obstruktion - Differenzialdiagnose)
Anamnese
Atopie in der Familie?
Beschwerden: Trockener Reizhusten oder/und Dyspnoe. Beschwerden nachts, bei oder nach körperlichen Belastungen, bei Allergenexposition sowie evtl. bei Aufregung und Angst.
Auskultationsbefund
Giemen und Brummen, u.U. nur bei forcierter langer Exspiration hörbar.
Falls ein forciertes Exspirationsmanöver nicht gelingt, muss man davon ausgehen, dass bis zu 30 % der trockenen Atemgeräusche bei Kindern auskultatorisch nicht erfasst werden. |
Bei Atemwegsinfektionen können zusätzlich grobblasige Rasselgeräusche zu hören sein.
Lungenfunktionsdiagnostik (s. auch Rationelle Lungenfunktionsdiagnostik)
Etwa vom Vorschulalter an (bei strenger Indikationsstellung auch beim schlafenden Säugling) kann man den Atemwegswiderstand und das Ausmaß der Lungenüberblähung messen und mittels Bronchospasmolyse-Test die Reversibilität feststellen.
Zur Objektivierung einer Überempfindlichkeit der Bronchien ("bronchiale Hyperreaktivität") trotz fehlender Obstruktion können unspezifische bronchiale Provokationstests durchgeführt werden, durch die eine Bronchokonstriktion herbeigeführt wird, beispielsweise mittels
- "Lauftest" (freies Laufen oder Laufband)
- mittels Histamin-Provokation
- mittels Methacholin-Provokation.
Verlaufskontrollen mittels Spirometrie (einschl. Fluss-Volumen-Diagramm), bei mittelschwerem u. schwerem Asthma mindestens 1 x /Jahr mittels Bodyplethysmographie (Überblähung ?).
Fluß-Volumen-Diagramme geben u.a. Aufschluß über die Kooperation der Kinder bei der Lungenfunktionsuntersuchung.
Allergie-Diagnostik
Hauttest, (spezifisches) Serum-IgE; gezielte inhalative Provokation mit Allergen.
Infektionsdiagnostik
z.B. Differentialblutbild u. CRP; ggf. Röntgen-Thorax, -NNH, evtl. Serologie.
Differenzialdiagnostik
Bei ausbleibender Besserung trotz konsequenter Asthmatherapie müssen vor allem folgende Krankheiten ausgeschlossen werden:
- gastroösophagealer Reflux,
- "chronische" Aspiration,
- Mukoviszidose,
- Tbc,
- kardiovaskuläre und Atemwegsanomalien,
- Residuen nach schwerer Infektion wie Bronchiolitis obliterans,
- ziliäre Dysfunktion etc.
(s. auch Chronischer Husten / bronchiale Obstruktion - Differenzialdiagnose)
Behandlung
Asthma-Anfall (Tabelle 1) bzw. "Status asthmaticus" (Ruhedyspnoe > 12 Stunden bei gleichzeitig fehlendem Ansprechen auf inhalative Beta-2-Sympathomimetika):
Tabelle 1: Therapie des Asthma-Anfalls bei Kindern |
- möglichst rasch: Sauerstoff-Insufflation, 2 - 3 l/min nach Bedarf
(Pulsoximeter-Kontrolle: Ziel: O2-Sättigung > 92 %);
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- Atemerleichternde Körperposition, Transport im Sitzen etc.;
ggf. "dosierte Lippenbremse", "Packegriff"
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- Beta-2-Sympathomimetikum (kurzwirk.) Fenoterol (BerotecR, in BerodualR), Salbutamol (z.B. SultanolR): 2 - 4 - 8 Hub,
möglichst über Spacer; alternativ: 8 - 16 Tr. / 2 ml 0.9 % NaCl, über Düsenvernebler (cave: Kältereiz, Herzfrequenz !); evtl. nach 10 min wiederholen; u. U. mit deutlich erhöhter Dosis, insbesondere nach vorausgehender Therapie mit Salmeterol (z.B. SereventR)
[partielle Hemmung der Adenylcyclase];
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- 2 mg/kg KG Prednisolonäquivalent intravenös oder oral in 2-3 Einzeldosen (ggf. 100 mg rektal), sowie 2 mg/kg alle 4-6 Stunden bis zur Besserung;
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- Beta-2-Mimetika i.v. , vorzugsweise unter stationären Bedingungen (z. B. Salbutamol= SalbulairR initial 5 mg/kg unter Herzfrequenzkontrolle, Erhaltungsdosis als Dauertropfinfusion ca. 1 m g/kg/Std.);
falls nicht verfügbar: 0.1 - 0.4 ml Terbutalin (BricanylR ) subkutan;
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- alternativ: Theophyllin, 5 - 6 mg/kg KG i.v. (langsam); im Notfall auch oral, z. B. SolosinR -Tr., ggf. rektal;
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- ggf. ergänzend: Ipratropiumbromid (AtroventR)
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- bei zunehmender Erschöpfung der Atemmuskulatur (klinische Zeichen, Anstieg des PCO2 ): Adrenalin (SuprareninR), subcutan 0,1-0,5 mg/10 kg (Lösung 1:1000) bzw. analoge Dosis i.v. (Verdünnung auf 1:10.000 mit 0,9 % NaCl) sehr langsam,
Herzfrequenzkontrolle (> 180/min); notfalls Intubation, Beatmung, gründliche Bronchialtoilette
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Diagnostik: Blutgasanalyse, Rö-Thorax (Nasennebenhöhlen ?), Entzündungsparameter, ggf. Theophyllinspiegel, Serum-Elektrolyte
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Langzeitbehandlung
Behandlungsziele:
- Vermeiden von Beschwerden im Alltag,
- ungestörter Nachtschlaf,
- bes. ungestörte Teilnahme an Sport oder Spiel,
- keine Fehltage in Kindergarten bzw. Schule.
- Prävention chronischer bronchopulmonaler Veränderungen,
- Keine Exazerbationen, die eine
stationäre Behandlung erfordern,-
- Weitgehend normale Lungenfunktion,
- Vermeiden von unerwünschten Wirkungen durch
Medikamente
Medikamentöse Behandlung (s. Tabelle 2)
Ab Stufe 2: Behandlung einschl. moderner inhalativer Kortikosteroide (ICS). Sie haben bei richtiger Anwendung (Inhalationshilfen, Mundspülung) keine klinisch bedeutsamen Nebenwirkungen. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann Budesonid-Suspension (0,5 mg/2ml,) mittels Düsenvernebler verabreicht werden (Pari-Boy® ohne Verwendung des "Baby S"-Zusatzes). Bei der Inhalation über eine Maske gehen etwa 90 % des Medikamentes verloren. Es muß daher ausreichend hoch dosiert werden (z.B. 2 x 2ml).
Bei akuten infekt- und allergiebedingten Asthma-Beschwerden ist gelegentlich kurzfristig der systemische Einsatz von Prednis(ol)on erforderlich. Die Wirkungslatenz ist zu bedenken. Bei Langzeitanwendung kann eine Dosisreduzierung mit Hilfe eines Antileukotriens versucht werden (in Deutschland ab Frühjahr 1998 verfügbar).
Hyposensibilisierungsbehandlung/Spezifische Immuntherapie
Sie wird bei der klassischen Vorgehensweise subkutan (maximal mit 3 Allergene) ist bei ubiquitär vorkommenden Allergenen u. eindeutiger klinischer Relevanz gerechtfertigt (zum Vorgehen s. Abb. 1 a und b): Das Allergen wird zunächst in wöchentlichen Applikationen innerhalb von ca. 4 Monaten behutsam bis zur Endkonzentration gesteigert. Danach erfolgt schrittweise eine Verlängerung der Intervalle auf 4 bis maximal 8 Wochen. Bei Pollenallergien wird während der Pollensaison die Dosis auf ca. 20 % der Endkonzentration reduziert und nach Ende der Blütezeit wieder bis zum Erreichen der Enddosis gesteigert. Meist müssen die in Tab. 2 genannten Medikamente ergänzend verabreicht werden.
Eine orale/sublinguale Hyposensibilisierung ist in Erprobung; prinzipiell scheint eine Wirkung nachvollziehbar zu sein. Dosierung (5 - 20 mal höher als s.c.) und Dauer der erforderlichen Therapie sind noch nicht standardisiert.


Tabelle 2 Asthma-Langzeittherapie bei Kindern und Jugendlichen
(Je nach Krankheitsverlauf ist eine Intensivierung oder - nach mindestens 3 Monate dauernder Beschwerdefreiheit - eine behutsame Reduzierung der therapeutischen Maßnahmen zu erwägen)
Neben der medikamentösen Therapie ist eine regelmäßige Asthmaschulung und Allergie-/Umweltkontrolle unerlässlich.
Schweregrad |
Medikamentöse Therapie |
Stufe I
Intermittierendes Asthma bzw.
(selten) rezidivierende bronchiale Obstruktion:
- gelegentl. geringe Symptome
- Husten und Atemnotepisoden
< 1 x / 2 Mo.
- Lungenfunktion im Intervall o.p.B.
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Stufe II
Geringradig persistierendes
("leichtes") Asthma
- Symptome öfter als alle 2 Monate
- Lungenfunktion im Intervall meist o.p.B.
oder gering beeinträchtigt;
z.B. FEV1 (Einsekundenwert) < 80 % u./o. MEF 50 > 65 % S.
- Lebensqualität gering bzw. nur zeitweise beeinträchtigt
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Stufe III Mittelgradig persistierendes
("mittelschweres") Asthma:
- Symptome öfter als 1 x / Woche
- Lungenfunktion auch im Intervall beeinträchtigt; z.B. FEV1 < 80 % u./o.
MEF 50 < 65 % S.
- Lebensqualität beeinträchtigt
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- inhalatives Kortikosteroid (ICS), mittlere Dosis;
bei fehlender Besserung: Dosissteigerung
- oder
ICS niedrig bis mittel dosiert,
plus Leukotrienantagonist oder langwirkendes Beta-2-Mimetikum
oder Montelukast;
- ggf. auch Anticholinergikum
- Bedarfsmedikation wie I°
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Stufe IV
Schwergradig persistierendes
("schweres") Asthma:
- Symptome: fast ständig;
- Lebensqualität und Schlaf deutlich beeinträchtigt;
- Lungenfunktion auch im Intervall
eingeschränkt (z.B. Einsekunden-wert, FEV1, < 60 %; meist Überblähung
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Stufe 5
Sehr schweres Asthma
- ständig Beschwerden
- ständig Einschränkung der Lungenfunktion
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zusätzlich zu Stufe 4
- Orale Kortikosteroide (niedrigste wirksame Dosis), wenn möglich alternierend;
- In begründeten Fällen: Omalizumab (Anti-IgE), das inzwischen für Kinder ab 6 J. zugelassen ist
- In begründeten Fällen:
Retard-Theophyllin
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Nicht-medikamentöse Behandlung
Verzicht auf Tierhaltung, unnötige Staubquellen (Hobbies !) und Rauchen in der Wohnung; ggf. Verwendung hautfreundlicher milbendichter Kopfkissen u. Matratzenüberzüge ("encasing"), evtl. "Allergiker-Matratzen" zum Schutz gegen Milben; Einsatz von Staubsaugern mit Feinstaubfiltern.
Begründung: Das Risiko eines persistierenden Asthmas wird erhöht durch das Halten von Haustieren (Tierallergen, Vorratsmilbe, Schimmelpilze), Feuchtigkeit im Haus (Hausstaubmilben, Aspergillus fumigatus etc.) sowie aktives und passives Rauchen (s.auch Asthma-Checkliste, Informationen für Laien: Merkblatt zur Sanierung).
Beendigung der Behandlung:
Sind länger als 6 Monate keine Beschwerden mehr aufgetreten, so kann die medikamentöse Behandlung mit Medikamenten behutsam verringert, vielleicht sogar beendet werden. Die beschriebenen nicht-medikamentösen Vorsichtsmaßnahmen sollten jedoch weiterhin, auch bei der späteren Berufswahl, beachtet werden.
Weitere Details s. auch unter:
Asthma bronchiale
Lindemann H. In: Lindemann H., Steiß J.O. (Hrsg.): Praxis der pädiatrischen Allergologie und Pneumologie. Dustri, München - Orlando 2006, S. 59-71
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