Individuelle ambulante Schulung bei Asthma


 

Individuelle ambulante Schulung bei Asthma


[Teilergebnisse:
Monatsschr. Kinderheilkd. 1998: 146, Suppl. 2, S 193 (Abstract);
                          Atemw- Lungenkrkh. 11: 522, 1998;
                          Monatsschr. Kinderheilkd. 1999: 147, Suppl. 2, S 174]
                          Monatsschr. Kinderheilkd. 2001: 149,126 (abstract);
                          Präsentation auf der 23. Jahrestagung der Ges. f.Päd.Pneumologie
                                                                   in Ber, 15. - 17. März 2001 als Poster

Ausführliche Publikation:
Schudt J, Seip C, Bock A, Hüls G, Kapellen T, Steiß JO, Willaschek C, Lindemann H: Individuelle Asthmaschulung bei Kindern und Jugendlichen. Atemw.-Lungenkrkh. 30, 220-299, 2004
Schudt J, Seip C, Bock A, Hüls G, Kapellen T, Steiß JO, Willaschek C, Lindemann H: Individuelle Asthmaschulung bei Kindern und Jugendlichen.Lindemann H (Hrsg): Update Pädiatrische Pneumologie. Dustri, München Orlando 2005, 132-144

Schudt, Julia: Ist die individuelle Asthmaschulung für Kinder und Jugendliche eine rationelle und effektive Alternative zu den bisherigen Schulungskonzepten? Inaug. Diss Gießen 17.10.05


 

Hintergrund

 

Die meisten Konzepte zur Schulung von Patienten mit Asthma bronchiale im Kindesalter basieren auf Gruppenunterricht. Dieser ist organisatorisch und personell sehr aufwendig und erfaßt nur einen kleinen Teil der Patienten. Eine Integration von Eltern und anderen Familienangehörigen ist oft schwierig. Dementsprechend fiel das Ergebnis einer Umfrage der deutschen Atemwegsliga und der DAK bei Asthma-Familien zu ihrer Betreuungssituation sehr ungünstig aus. Etwa 50 % waren unzufrieden.
In einer für die Dauer von 2 Jahren geplanten prospektiven Studie wurde daher in Gießen eine individuelle und rationelle Patientenschulung im Rahmen der routinemäßig stattfindenden Vorstellungstermine in der Asthma-Ambulanz initiiert. Im nachfolgenden Beitrag wird Bilanz gezogen.

 

 

Methodik

 

Anhand einer "Checkliste" bzgl. Diagnostik und Therapie des Asthmas (s. auch  Tab. 1) wurden vom Ambulanzarzt bei jeder Vorstellung eines Patienten diesbezügliche Defizite registriert. Diese Checkliste umfaßte Fragen zur richtigen Diagnosestellung, zu Symptomen auslösenden Faktoren, zu allergischen Faktoren und Sanierungsmaßnahmen, zu therapeutischen Strategien, deren Verständnis und Umsetzung sowie zum Krankheitsverständnis. Unmittelbar im Anschluß an die ärztliche Untersuchung und Therapieverordnung erfolgte die auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten und seiner Familie ausgerichtete ambulante Asthmaschulung des Patienten und seiner Begleitperson(en) durch eine speziell dafür ausgebildete Schulungskraft. Wichtigste Schulungsinhalte waren: Krankheitsmechanismen, Auslöser, Sanierungsmaßnahmen, medikamentöse Therapie, Inhalationstechnik, Verhalten bei akuter Exazerbation und bei Notfallsituationen.
Mit Hilfe eines
Merkblattes über Asthma und nach Erörterung der individuellen Situation wird alles Wichtige, einschließlich der aktuellen Medikation sowie das Vorgehen bei Exazerbation, schriftlich festgehalten und den Betroffenen mitgegeben. Durch ein Asthma-Quiz wurde das Interesse der Schulkinder und Jugendlichen gefördert.

Zur Evaluierung wurden gravierende Mängel bei der Erstvorstellung aufgelistet sowie die Einschätzung des Schulungserfolges alle 3 - 6 Monate anhand eines Fragebogens zur Verlaufsbeobachtung und zur Erfassung der Lebensqualität (Tab. 1 bis 3), des klinischen Untersuchungsbefundes und - soweit möglich - anhand der Lungenfunktion vorgenommen.

Insgesamt wurden 534 Asthma-Patienten im Alter von 0,5 bis 16,3 Jahren geschult und abschließend in anonymisierter Form nach ihrer Meinung über diese Art der Schulung befragt.

 

 

Tab. 1:     Evaluation des Krankheitsverlaufs und des Schulungserfolgs

 
Datum

Anamnese

 
Schweregrad  
Ergänzende Diagnostik  
Krankheitsverständnis:
  
Bronchospasmus,
   (chron.) Entzündung,
   zäher Schleim
 
Rhinitis (rezid./chron.)  
Beschwerden (H usten,
   Atembeschwerden),
   ausgelöst durch
 
- Atemwegsinfektionen  
- Sport/körperl Belastung  
- unspezifische Reize  
- Allergene  
- Emotionen / psych. Belastung  
   
Medikament  
- abgesetzt / reduziert
  falsch inhaliert
 
- DNCG/Nedocromil  
- Antileukotrien  
- Kortison, inhalativ  
- Kortison, systemisch [rektal, oral]   (passager/kontinuierlich)  
- Bronchodilatator
   
kurzwirksam / langwirksam
 

Sanierung

 
   gründlich (++ ) / ausreichend (+) /
   kaum (-)
 
- Rauchen in Wohnung  
- Tiere im Haus (w = weiterhin)  
- Bett / Schlafz. d. Patienten
  (Matratze, Kissen,
  Zudecke; Encasing ?)
 
- feuchte Wände  
- Gummibaum, Ficus Benjamini  
- Teppiche (langflorig)  
- Heizung (Gas-, Kachelofen,
  Kamin)
 
- Staubsauger (Feinstaubfilter ?)  
Klinik-Behandl. nötig
  (kürzlich)
 
"Kur" - Reha.-Maßnahme
  (kürzlich)
 

Atemnotsituation:
  m
ögliche Ursache(n)?

 
Fehltage   (Kindergarten/Schule)  
Klinischer Befund: AZ,   Giemen/Brummen,  
Besonderheit

 

Krankheitsverlauf (retrospektiv)
    sehr gut (++ ) / gut (+) / schlecht (-)

 
Schulungsschwerpunkt(e)

 

Schulungsdauer (min)

 

 



Tab. 2: Anforderungsbogen und Dokumentation des Schulungsbedarfs


Diagnose(n):

                                                                                    Datum:
Patient: 

Schulungsbedarf (bitte Zutreffendes/Gewünschtes
                                                   ankreuzen)
 
- Folgebehandlung  
- Neudiagnose    
Akzeptanz der Krankheit  
Krankheitsmechanismen  
Auslöser der Beschwerden  
Sanierungsmaßnahmen  
Wirkmechanismen und Wirkungsdauer der Medikamente  
Inhalierhilfen und ihre Wartung  
Inhalationstechnik  
Verhalten bei akuter Verschlechterung  


Beurteilung:





Unterschrift

des Arztes:............................................................................................

der Schulungskraft: ............................................................................

 

 

 

Tab. 3: Beispiel eines Fragebogens zur Erfassung der Lebensqualität im Rahmen der Evaluierung des Schulungserfolges

Defizite (x = ja)

1.Tag

na. 3 Mon.

na. 6 Mon.

na. 9 Mon.

na. 12 Mon.

na. 15 Mon. na. 18 Mon. na. 24 Mon.

Fehlzeiten / Tage pro 3 Monate

20

0

2

0
0
0
0
0

Einschränkung bei Sport

X

0

0

0
0
0
0
0

Einschränkung b. Treppensteigen

0

0

0

0
0
0
0
0

Husten nachts

X

X

0

0
5
0
0
0

Husten tagsüber

X

0

0

0
3
0
0
0

Atemnot nachts

0

0

0

0
0
0
0
0

Atemnot tagsüber

0

0

0

0
0
0
0
0

Streß/Angst wegen Krankheit

XX

X

0

0
0
0
0
0

Lebensgefühl insgesamt

schlecht

besser

gut

gut
gut
gut
gut
gut

 

 

 

 

Ergebnisse

 

Anlässlich der ersten Vorstellung wurden bei 34,5 % der Patienten diagnostische, bei 56,2 % therapeutische Defizite festgestellt. Ein neues Therapie-Regime und die wiederholte ambulante Schulung erbrachten nach 24 Monaten bei 59,1 % der Patienten im Vergleich zur ersten Vorstellung sukzessiv eine deutliche Besserung.
Diese war u.a. zurückzuführen auf den Einsatz inhalativer Kortikoide bzw. eine Erhöhung der Dosis, eine Verbesserung der Inhalationstechnik, eine regelmäßige Therapie insgesamt, erfolgreiche Therapie einer vorher unbehandelten chronischen Rhinitis bzw. eine Ergänzung der Sanierungsmaßnahmen (Abb.1).

Der zeitliche Aufwand hält sich in erträglichen Grenzen. Bei der ersten Vorstellung eines Patienten sind für den betreuenden Arzt und die Schulungskraft je 15 Minuten einzukalkulieren. Bei späteren Vorstellungen reduziert sich der Aufwand deutlich, da man sich (neben der regelmäßigen Überwachung des Inhalationsvorgangs) nur noch auf die festgestellten Mängel und Probleme konzentrieren muss.

      

Abbildung 1: Prozentualer Anteil der Ursachen einer Verbesserung
                     der  Asthmasymptomatik nach 1. ambulanter Schulung
                     (Umg.= Umgebungs...; zus.= zusätzliche)

 

 

Bei 23,5 % war keine Veränderung des leichten Krankheitsverlaufes, bei 7,9 % eine Verschlechterung gegenüber der ersten Vorstellung zu beobachten. Folgende Ursachen für eine Verschlechterung ließen sich ausmachen:

  • sporadische Applikation oder Ablehnung von Medikamenten

  • schlechte Inhalationstechnik trotz mehrfacher Korrektur

  • inkonsequente Durchführung von Sanierungsmaßnahmen

  • gehäufte Infekte im Winterhalbjahr.

 

99,4 % der Patienten und ihrer Angehörigen waren mit der Form der individuellen Schulung (sehr) zufrieden. Knapp 4 % der Angehörigen wünschten zusätzlich eine Gruppenschulung, von der sie sich vor allem Kontakt und Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen Familien erhofften.

 

 

Fazit

 

Die von uns praktizierte Modifikation der Asthmaschulung hat sich bewährt. Bei über 87 % der Patienten konnte eine Besserung der Symptomatik oder Stabilisierung einer guten Ausgangsposition erzielt werden. Ein besonderer Vorteil liegt darin, daß sich auf diese Weise der überwiegende Teil der Patienten einer unmittelbaren Schulung und Nachschulung zuführen lassen. Die wiederholt durchgeführte individuelle ambulante Asthmaschulung stellt somit eine effektive Alternative bzw. Ergänzung zu bisherigen Schulungskonzepten dar. Die überwältigende Mehrheit der Patienten und ihrer Angehörigen sprach sich für diese Form der Schulung und gegen eine Gruppenschulung aus, bei der ein Team von Arzt, Physiotherapeut bzw. Sportpädagoge, Psychologe und Schulungskraft erforderlich ist, um verhaltens- und familientherapeutische Aspekte zu verfolgen. Eine solche aufwendige Schulung dürfte daher nur in Ausnahmefällen indiziert sein, zumal sie nur in begrenztem Umfang wiederholbar ist..

Das vorgestellte Konzept erscheint somit besonders geeignet, zu einer wesentlichen Entlastung von Rehabilitationsinstitutionen und einer Reduzierung stationärer Kliniksaufenthalte beizutragen. Nach den bisherigen Erfahrungen ist bei konseqenter Anwendung der individuellen ambulanten Asthmaschulung ein hohes Maß an Zufriedenheit bei den Betroffenen zu erzielen und eine geringere Belastung der finanziellen Ressourcen abzusehen.