Pubertät: Erwachsen werden mit Mukoviszidose
Barbara Munkwitz-Almstedt, Annette Simon
Allgemeines
In der Puberät vollzieht sich die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. Sie hat einen fließenden Anfang und ein fließendes Ende. Im Rahmen der körperlichen Entwicklung kommt es zu einem Wachstumsschub verbunden mit einem hormonellen Umbruch und zur Entwicklung von Mann und Frau. Diese Entwicklung kann bei Jugendlichen mit Mukoviszidose zeitlich verzögert, langsamer und auch länger verlaufen.
Bezogen auf die seelische Entwicklung findet ein Ablöseprozess vom Elternhaus statt, verbunden mit dem Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.
Gleichzeitig nimmt der Einfluss der Gleichaltrigengruppe (Peer-Group) zu, deren Anerkennung für die Jugendlichen sehr wichtig wird. Zunehmend werden Themen wie Berufs- und Lebensperspektiven und Möglichkeiten der individuellen Gestaltung bedeutsam.
Diese für Jugendliche und Eltern „stürmische Zeit“ ist von vielen Veränderungen geprägt: Die Jugendlichen entwickeln ein Selbstbild, in dem z.T. völlig neue Themen, wie Schönheitsideale, Musik, Computerchats, Feten und eigene Urlaube zu Ihrem Lebensmittelpunkt werden.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Pubertät eines Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung nicht wesentlich von der Pubertät eines Gesunden.
Gefühlsschwankungen, „Null-Bock“ und „Kontra aus Prinzip“, Vergesslichkeit und Ablehnung gegenüber der bisherigen alltäglichen Lebensgestaltung sind durchaus typisch und häufig.
Aspekte, die in Familien mit chronisch Erkrankten hinzukommen, sind häufig eine eindringliche Angst und Unsicherheit der Eltern, verbunden mit Unverständnis gegenüber der Auflehnung der Jugendlichen.
Zum Teil muss eine phasenweise Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes oder z.B. eine vorübergehende Gewichtsstagnation geduldet werden.
Chronisch kranken Jugendlichen werden besonders in dieser Entwicklungsphase mögliche körperliche Grenzen oder Einschränkungen stärker bewusst, ein selbstbewusster Umgang muss häufig erlernt werden.
Nicht selten stellen Eltern in Beratungen die Frage, ob Ihre Bemühungen um eine angemessene Erziehung und Entwicklung Ihres Kindes umsonst waren. |
Ermutigung und Zuversicht sind notwendig sowie die Vermittlung der Tatsache, dass familiäre Konfliktsituationen und „Infragestellen“ – auch der Therapie - dem Jugendlichen die Möglichkeit geben, mit seiner Erkrankung offen, selbständig und verantwortungsvoll umzugehen.
Von den Eltern wird jetzt eine neue Form der Unterstützung erwartet, die viel Geduld, Toleranz und Akzeptanz sowie der Bereitschaft verlangt, Freiheiten schrittweise neu auszuhandeln, aber auch immer wieder klare Grenzziehungen erfordert.
Weniger problematisch kann diese Phase verlaufen, wenn die Jugendlichen bereits seit früher Kindheit altersgemäß zu Selbstständigkeit und Eigenständigkeit erzogen wurden.
In Familien mit chronisch kranken Kindern ist dies eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe: Am Beispiel der Ernährungstherapie zeigt sich, dass ein Verständnis für die Notwendigkeit einer besonderen Ernährungsform im pubertierenden Alter wesentlich unproblematischer und konfliktfreier ist (genügend Kalorien, entsprechende Enzym- und Vitamineinnahme), wenn die Patienten schon als Kinder immer wieder in Fragen der Ernährung eingebunden wurden.
Wichtig ist, dass Eltern in Kontakt mit Ihren heranwachsenden Kindern bleiben, indem sie durch Erinnern an die eigene „Sturm und Drang“- Zeit Verständnis entwickeln und sich bemühen im Gespräch mit den Jugendlichen zu bleiben.
Auch Eltern müssen nun Loslassen lernen, denn der Prozess des Sich Lösens vollzieht sich beidseitig.
Vertrauen und Zutrauen in die Fähigkeiten der Jugendlichen sind notwendig. Zutrauen, dass sie bestimmte Dinge des Lebens und ihrer Therapie eigenständig leisten können und auch sollen. Dies beinhaltet, dass man mit den Jugendlichen als gleichwertige Personen spricht, ihre Meinungen und Vorschläge beachtet, nicht mehr „über sie“ und „für sie“ entscheidet und handelt, sondern mit Ihnen.
Vertrauen, sie z.B. an einer Freizeit teilnehmen lassen trotz der elterlichen Angst, ob Therapien auch alleine durchgeführt werden.
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass solche „mutigen“ Projekte beide Seiten rückblickend stärken können und die Eigenständigkeit fördern.
Auch das CF-Behandlerteam kann zur Unterstützung der Jugendlichen beitragen, indem der Übergang von der Behandler-Eltern-Patienten-Beziehung zur Behandler-Patienten-Beziehung gefördert wird. Direkte Aufklärung der Jugendlichen sowie ihre Einbeziehung in diagnostische und therapeutische Verfahren sind in dieser Phase wichtig. Bei minderjährigen Patienten darf aber selbstverständlich die Information der Eltern nicht außer Acht gelassen werden. Häufig werden auch die Aushandlung eines Minimal-Therapieplanes und dessen konsequente Überprüfung notwendig. Des Weiteren ist hin und wieder die Anregung zur Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme für Jugendliche sinnvoll.

Im Rahmen derErnährungsberatung ist eine altersentsprechende Erklärung und Aufklärung über die Erkrankung, Physiologie und Pathophysiologie z.B. der Verdauungsorgane und die spezielle Ernährungstherapie eine gute Basis, um dem Kind und später dem Jugendlichen ein eigenes fundiertes Wissen zu vermitteln. Dem Patient wird dadurch die Möglichkeit gegeben, auf verschiedene Fragen zur Erkrankung und Therapie in Schule, Peer Groups etc. zu antworten und ohne Angst oder Scham zu begegnen.
Mit Schulungen und Beratungen, die ohne Eltern stattfinden, kann schon früh begonnen werden. Besonders im Jugendalter können hier Gespräche helfen, Konflikte zu bewältigen und evtl. Kompromisse mit Eltern auszuhandeln. Ein Hauptziel in der Beratung von Jugendlichen ist, Ihnen einen sicheren Umgang mit Ihrer Erkrankung zu vermitteln und den Weg zur „Selbsthilfe“ zu ermöglichen.
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