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Mukoviszidose - Sekretolyse und Physiotherapie
1. Grundlagen
Der Gendefekt, der der Mukoviszidose zugrundeliegt, führt zur Bildung eines falschen Eiweiß-Komplexes und unter anderem zu einer Salztransportstörung. Diese ist dafür verantwortlich, daß dem Bronchialschleim Flüssigkeit verlorengeht. Die Folge ist ein zäher Schleim, der sich in den Bronchien sammelt ("Sekretstau") und den zahlreichen Keimen, die der Mensch einatmet, einen idealen Nährboden bietet. Es treten gehäuft Infektionen auf, die die Zähigkeit des Schleims noch erhöhen, unter anderem durch das Kernmaterial (DNA) abgestorbener Abwehrzellen und Deckzellen in den Atemwegen.
Darüber hinaus entwickelt sich im Rahmen von Entzündungsvorgängen eine Schwellung der Schleimhäute, die auch zu einer mechanischen Behinderung des Schleimtransports führt (Abb. 1).

Abb.1 Teufelskreis zwischen zähem Sekret, Schleimstau und immer wiederkehrenden Infektionen sowie Therapieprinzipien
Zudem finden wir bei CF-Patienten nicht selten eine bronchiale Überempfindlichkeit, die zu einer Verkrampfung der bronchialen Muskulatur führt (Bronchospasmus). Dadurch wird nicht nur die Atmung erschwert, sondern auch der Schleimtransport zum Mund hin beeinträchtigt.
Durch langfristige Entzündungsprozesse können die Bronchialwände geschädigt sein und ihre Stabilität verlieren: Vor allem während rascher und tiefer Ausatmung sowie bei starkem Husten legen sich die Bronchialwände aneinander wie bei einem luftleeren Fahrradschlauch. Es tritt ein "Bronchialkollaps" auf, der den Sekrettransport aus den Atemwegen beeinträchtigt. Im Rahmen der Physiotherapie ist daher darauf zu achten, daß ein Bronchialkollaps möglichst vermieden wird, damit die Schleimentfernung nicht gestört wird (siehe Abbildung 2).

Abb. 2 Veranschaulichung der Veränderungen an den Bronchien bei CF im Querschnitt (oben) und im Längsschnitt (unten) |
Ziele der Behandlung sind zum einen
- die Sekretlockerung und -verflüssigung, vorwiegend durch inhalierbare Medikamente wie Kochsalzlösung, Amilorid, Pulmozyme usw.
- eine Dämpfung der Entzündungsprozesse und ein Abschwellen der Bronchialschleimhaut (z.B. durch inhalierbare Kortisonpräparate, wie Atemur, Flutide oder Pulmicort)
- sofern nötig, eine atemwegserweiternde Behandlung durch eine Entspannung der verkrampften Bronchialmuskulatur ("Bronchospasmus", siehe Abbildung 2; s. auch Beitrag über "Asthma bei Kindern").
- die Erhaltung der Thoraxbeweglichkeit.
Zum anderen ist es wichtig, das gelockerte Sekret aus den Bronchien zu entfernen. Das ist einleuchtend, denn:
In Infektionsphasen enthält 1 Gramm Auswurf (Sputum) über 100.000 Bakterien. In Phasen ohne akute Entzündung beträgt die Anzahl der Bakterien oft 1.000 bis 10.000 Keime pro Gramm Sputum ! |
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2. Verflüssigung und Entfernung des Bronchialsekrets
Vorrangiges Ziel ist es, durch Medikamente und Physiotherapie das Bronchialsekret zu verflüssigen bzw. zu mobilisieren und zu entfernen.
Eine Verflüssigung des Schleims ist nutzlos, wenn es nicht gelingt, ihn aus den Atemwegen herauszutransportieren. Solange das Sekret in den Atemwegen verbleibt, unterstützt er die oben erwähnten Entzündungsvorgange (Abbildung 3).
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Abb. 3.1
(Schematische Darstellung)
Schleim, der in den Atemwegen
bleibt, behindert die Atmung
und ist ein idealer
Nährboden für Keime
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Abb. 3.2
Zäher Schleimfaden im entzündeten rechten Hauptbronchus eines Mukoviszidose-Patienten.
Außerdem ist eine tapetenartige Auskleidung der Bronchuswand mit zähem Schleim zu erkennen. Dadurch werden die natürlichen Reinigungsmechanismen beträchtlich gestört und das Fortschreiten der Infektion begünstigt. |
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3.1. Natürlicher und krankhaft veränderter Schleimtransport
Beim gesunden Menschen sind Schleimproduktion, Schleimzusammensetzung und Transportmechanismen gut aufeinander abgestimmt. Bei Mukoviszidose-Patienten sind die normalen Reinigungsmechanismen der Lunge teilweise überlastet, weil sie sehr zähen Schleim vorwärtsbewegen müssen.
Wichtige Bestandteile des Reinigungssystems sind winzige Flimmerhärchen, die den Schleim mit einer peitschenartigen Bewegung zum Mund hin bewegen, und der Husten, der durch plötzliche Beschleunigung der Luft den Transport des Schleims zum Mund hin unterstützt.
Beim Mukoviszidose-Patienten weisen die Flimmerhärchen anfangs eine gesteigerte Aktivität auf; später läßt diese erheblich nach. Starker Husten fördert den bereits erwähnten "Bronchialkollaps" infolge des hohen Drucks im Brustkorbs.
Es ist daher wichtig, die natürlichen Transportmechanismen des Sekretes durch eine wirksame und moderne Physiotherapie zu unterstützen.
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3.2. Wirkungsmechanismen der Physiotherapie
3.2.1. Wichtigstes Prinzip ist die Änderung des Durchmessers in den Bronchien ("Kaliberschwankungen") durch vertieftes Ein- und Ausatmen (Abb. 4 und 5). Auf diese Weise löst sich der Schleim von der Bronchialwand und kann leichter zum Munde hin transportiert werden. Dieses Prinzip ist Grundlage jeder guten Inhalationstherapie sowie der Autogenen Drainage. Es ist aber auch wichtiger Bestandteil der Physiotherapie mit dem "Flutter"-Gerät (VRP 1-Desitin). Die raschen Druckschwankungen in den Bronchien (10 bis 35 mal pro Sekunde), die durch den Flutter verursacht wereden, tragen wesentlich zur Lockerung des Schleims bei.

Abb.4
Die optimale Atemtechnik bei der Inhalation ist eine tiefe Ein- und Ausatmung mit einer Pause am Ende der Einatmung. Dabei vergrößert sich der Durchmesser der Bronchien während der Einatmung und verringert sich während der Ausatmung (siehe Abbildung 5). Besonders wichtig ist eine gute Reinigung und Wartung des verwendeten Inhalationsgerätes. Etwa 1 x im Jahr sollte das Verneblersystem erneuert werden.
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Abb. 5 Erweiterung der Bronchien während tiefer Einatmung und Verengung der Bronchien während der Ausatmung ("Kaliberschwankungen") unterstützen den Schleimtransport zum Mund hin |
Voraussetzung für wirksame Kaliberschwankungen der Atemwege durch die Atmung ist die Beweglichkeit des Brustkorbs. Sie muß durch tägliche Übungen unbedingt erhalten werden (siehe unten).
3.2.2. Durch Einschalten einer künstlichen Engstelle (Stenose) in die Ausatmung wird der Druck in den Bronchien bei der Ausatmung erhöht; damit wird einem Bronchialkollaps entgegengewirkt. Dieses Wirkprinzip wird bei der "Lippenbremse", bei der Atmung mit dem PEP-System und bei der Anwendung des "Flutter"-Gerätes genutzt (Abbildung 6).

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Abb. 6.1
Beim "Flutter" ist ein durch eine Kugel erzeugter veränderlicher Einengungsmechanismus wirksam: Zunächst versperrt die Kugel den Ausatmungsweg. Während der Ausatmung entsteht ein erhöhter Druck im Mund (und in den Bronchien); dadurch wird die Kugel angehoben. Bei nachlassendem Munddruck fällt sie in den Trichter zurück. Dieser Vorgang wiederholt sich 10 bis 30 mal pro Sekunde.
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PEP: Positive Expiratory Pressure = positiver Aussatmungsdruck

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Abb. 7
Schematische Abbildung zum
Einfluß der Körperlage
auf Belüftung und
Durchblutung der Lunge |
Durch Lageveränderungen des Körpers kann daher gezielt auf die Belüftung der Atemwege, die wichtig für den Sekrettransport ist, Einfluß genommen werden.
Durch "therapeutische Körperstellungen", wie "Schraube", "Knoten", "Überschlag", "Mondlage", wird darüberhinaus der Brustkorb in viele Richtungen gedehnt und auf diese Weise beweglich gehalten ("Mobilisationsübungen", Abbildung 8). Durch "atemerleichternde Positionen" wird die Atemmuskulatur bei akuten Atembeschwerden entlastet.
Der Vermehrungszyklus von Bakterien erfolgt sehr rasch (alle 30 - 60 min), so dass die Gefahr einer rasanten Zunahme der Bakterien besteht, je länger sie im Atemwegstrakt bleiben. |
3.2.3. Bei Lageveränderungen des Körpers ändert sich die Durchblutung und die Belüftung der Lunge (wie bei einem teilweise mit Flüssigkeit gefüllten Behälter). Die Durchblutung folgt der Schwerkraft: unten liegende Lungenbezirke sind stärker mit Blut gefüllt, während die oberen Bezirke besser belüftet sind (Abbildung 7).
Die Atemtherapie gehört zum Alltag des CF-Patienten wie das Zähneputzen: 2 - 3 mal täglich muss der zähe Schleim aus den Bronchien entfernt werden ("Bronchialtoilette").
Der morgendlichen Inhalation und Physiotherapie kommt besondere Bedeutung zu, da während des Nachtschlafs als Folge fehlender Physiotherapie und mangelnder körperlicher Aktivität der Schleimtransport vermindert ist. |
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